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Bildung im Kontext der Mediengesellschaft

Medien-logische Hintergründe des bildungskulturellen Wandels.

Thomas A. Bauer

Die Wahl von Bildungsmedien und – generell – des didaktisch motivierten Mediengebrauchs in Bildungszusammenhängen hängt einerseits davon ab, in welchem Ambiente und sozialem Setting Bildungsaktivitäten stattfinden, aus welchen Lebensverhältnissen und Lebenszusammenhängen Lehrende und Lernende kommen, nicht zuletzt von der technologischen, mediologischen Qualität  der Medien bzw. Medienprogramme, die zum Einsatz kommen, nicht  zuallerletzt von der Didaktik-logischen Intention und der dafür gewählten Methodik des Zusammenhangs von Lehren und Lehren. Die möglichen Kriterien der Qualität können demnach nur aus dem Zusammenspiel dieser Faktoren und deren kritischer Beobachtung aufgenommen werden, selbst wenn der Fokus der kritischen Analyse und der Kriterienbestimmung sich auf den Faktor Medien konzentriert. Insofern man nicht nur von „den Medien“ oder „den Bildungsmedien“ so redet, als spielten die Medien, verstanden als Einzelobjekte, die entscheidende Rolle, sondern sie so versteht, dass sie das gesamte Medienverhalten, den Mediengebrauch, eigentlich den medialen Zusammenhang (vgl. Debray 2003) des didaktischen Geschehens,  mitinbegriffen die eben benannten Umstände (Ambiente, Herkunft, soziales Setting, Organisationsumwelt etc.) repräsentieren und auf sich konzentrieren, macht es Sinn, die Qualitätskriterien medienbasierter Bildung an den dafür zum Einsatz kommenden Medien festzumachen. In ihnen und an ihren Einsätzen repräsentiert sich die (strukturelle, kulturelle, habituelle, soziale und praktische) Qualität von Bildung und Bildungsprogrammen.

            Intention und Rahmen:

Der Markt an Bildungsmedienangeboten ist – Europa-weit – mittlerweile so breit gefächert und hinsichtlich der Qualität sehr unterschiedlich geschichtet (vgl. Heinemann et al. 2023), dass es Sinn macht, den Qualitätsdiskurs oder auch die fachliche Qualitätsdebatte nicht nur in Fach- oder Wissenschaftskreisen zu führen, sondern die Qualitätsdebatte in den Markt einzubringen, um so das Interesse an qualifiziertem Angebot im Produktionsmarkt selbst anzufeuern. Dazu braucht es, 1., Kriterien, an denen sich der Markt orientieren kann, 2., Mechanismen der Mobilisierung des qualitätsinteressierten Wettbewerbs, und 3., öffentlich relevante Podien, in denen Betroffene (Produzenten, Herstelle, Anbieter) als Beteiligte für ihre Qualitätsbemühungen Anerkennung finden. Dieser Mechanismus wurde und wird in dem nun schon 25 Jahre stattfindenden Comenius Edumedia Award der GPI (Gesellschaft für Pädagogik und Information) umgesetzt (vgl. Mikuszeit 2017)

Allerdings ist der gesamte Zusammenhang einem strukturellen wie kulturellen Wandel ausgesetzt: Medienwandel, Gesellschaftswandel, Kulturwandel, Technologiewandel mit all den in diesen Prozessen implizierten Facetten, die im Zuge universeller Strömungen virulent werden (vgl. Krotz 2008 ): so zum Beispiel Globalisierung, Migration, Digitalisierung, Generationenwechsel.

Die Wandlungsprozesse wie auch deren soziale, kulturelle und symbolischen Phänomene verlaufen nicht als in sich und für sich abgegrenzte Trends, sondern sind schon von ihrem kulturell-anthropologischen Grund her zueinander gemeint, vermittelt und interpretieren sich wechselseitig als ein kultur-logisches Prinzip all dessen, was besteht und ist: was ist, ist es – über die Zeit – aufgrund seines Wandels. Das Prinzip des Wandels aber – und das wird zu erklären sein – ist nicht eine Eigenschaft des Objekts (der Medien, der Gesellschaft, der Bildung etc.), sondern (und deswegen eben kulturell) der Beobachtung vgl. (Schmidt 2003: 47 ff.)

Diesen Anspruch einer kulturtheoretischen und gewissermaßen anthropologischen Auseinandersetzung (vgl. Schütz 2003,  Henkel 2019)  mit den Möglichkeit der Bestimmung von Kriterien der Qualität von Bildungsmedien und der Fragestellung, wie man mit den damit verbundene Phänomenen des Wandels umgeht,  mag im Rahmen eines auf Evaluation ausgerichteten Projekts überraschen, wird – im Kontext des wissenschaftlich legitimierten Anspruchs und der damit verbundene Verantwortung  und Rechtfertigung für die Gültigkeit der Orientierung – aber für notwendig erachtet, weil man sich gerade im Zusammenhang von Wettbewerb und Marktvorteil zu schnell mit oberflächlichen, vordergründigen und banalen Lösungen zufrieden gibt. Daher versucht der folgende Text auf theoretisch-übergreifender und verallgemeinernder, vor allem kultur-anthropologischer Ebene die Hintergründe des Wandels der Kriterien auszuleuchten (vgl. Zapf / Zipperle 2014), soweit sie und weil sie in der Bestimmung der Qualität von Bildungsmedien bzw. des Gebrauchs von Medien im Bildungskontext eine in der Analyse der mediendidaktischen Praxis oft ausgeblendete Rolle spielen. So sehr es praktisch notwendig scheint die medienbasierte Didaktik an das Tempo des technologischen, vor allem digitalen Wandels anzupassen, so sehr ist es aber auch notwendig, die Kriterien der Entscheidung für die Wahl der Medienverwendung im transaktionalen Lehr-und Lernzusammenhang nicht nur nach deren technologischer Entlastung oder digitaler Finesse auszurichten, sondern auch an den humanitären und gesellschafts-logischen Werten. In diesem Sinne soll die Wahrnehmung nicht auf einzeln zu benennende Kriterien gerichtet werden, sondern auf hintergründige Zusammenhänge, die die in der Fachliteratur für die medien- und/oder digital-didaktische Praxis gebotenen Anregungen sozial-humanistisch untermauern. Diese Ausrichtung ist ein Projekt mit der Fragestellung von Qualitätskriterien für medien-zeitgemäße Bildung angesichts der rundum geführten, im politischen Wettbewerb benutzten Debatten und Bestrebungen zum digitalen Humanismus schuldig. Dort, wo in diesem Zusammenhang dem Menschen eine Rolle zugedacht wird, ist in diesem Taxt daher von „uns“ die Rede.

Die Tiefendimension der Wandel-Metapher:

Alles, was ist, ist wirklich oder eben die Wirklichkeit auf der Basis und aufgrund unserer einander geteilten Beobachtung (vgl. Schmidt 2003, Berger/Luckmann 1972). „Die Welt“ ist kein eigenständiges Objekt uns gegenüber, sondern die metaphorische Beschreibung der inneren und erinnerten Zusammenhänge, die wir im Wege der Beobachtung Weltbild–logisch konstruieren. Wichtig ist uns dabei, dass wir eine Logik nützen oder erkennen, die wir für schlüssig halten. Beobachten heißt Ordnung schaffen oder an Ordnungslogiken messen. Aber auch diese Logik ist nicht Eigenschaft von Einzelobjekten, sondern die Eigencharakteristik der Beobachtung und der Bemühungen, wie wir Einzelobjekte, Einzelgeschehnisse, Einzelereignisse und Einzelhandlungen zueinander so ordnen (kontextualisieren),dass sie logischen Sinn machen oder an einem solchen messbar sind. So ist eben auch der Terminus „Wandel“ eine aus der Beobachtung von Zeit und aus der Zeit der Beobachtung für schlüssig gehaltene Konstruktion der für möglich und logisch geordnet gehaltenen Kontexte, semantisch und sozial verbindlich festgehalten in der Beschreibungsmetapher Wandel. Wie bei anderen Beschreibungsmetaphern orientiert sich auch hier deren Logik an Normen (Wandel als Konstrukt normativer Logik), an Erfahrung und Experiment (Wandel als Konstrukt empirischer Logik) und an Praktikabilität (Wandel als Konstrukt praktischer Logik).

Das Ziel dieses abstrakten Aufrisses der Kategorie „Wandel“ ist nicht philosophischer Selbstzweck, sondern eine erkenntnistheoretische Bemühung um die Tiefendimension eines Begriffes, den wir selbstverständlich verwenden, um den strukturellen Wandel aus der Beobachtung der Oberfläche als Wandel der beobachteten Objekte festzustellen und dabei zu übersehen, dass es nicht die Objekte sind, die sich verändern, sondern dass es dem Willen und Wollen, dem Können und Müssen, dem Dürfen oder Unterlassen der Logik der Beobachtung zuzuordnen ist, dass und wie wir sie verändern, um in der Beobachtung von sich verändernden Zusammenhängen Sinn zu erkennen (Bernhardt 2021, Heidegger, 1977).

Aus diesem als Beobachtungslogik umschriebenen Kosmos stellt sich die Frage nach dem Sinn solcher auf Ordnung bedachten Kontextualisierung. Wissend, dass diese Kontextualisierung nicht auf dem Mist einer Einzelbeobachtung wächst, sondern im  kommunikativen, diskursiven oder dialogischen (vgl. Schmidt…) Austausch den weiten Horizont der Deutungen von Sein und Werden, also von Bestand und Wandel ausgeleuchtet wird, macht es erkenntnistheoretisch möglich und notwendig, die in der Metapher des Wandels vergeschichtlichte (verzeitlichte, temporalisierte) Interpretation des Sinns menschlicher Existenz in der Fähigkeit, Zuständigkeit und Verantwortung (Kompetenz) wahrzunehmen, (s)eine individuelle  Beobachtung (Gedanken) in die soziale Konstruktion von Wirklichkeit sowohl einzubringen wie auch aus dieser zu entlehnen. Philosophische Deutungen des Sinns und des in diesem Begriff eingelagerten Verhältnisses von Nützlichkeit, Ästhetik und Ethik (vlg. Edmair…) der im sozialen Format der Kommunikation ermöglichten Konstruktion von Wirklichkeit (vgl. Watzlawick, Berger/Luckmann) ….) gibt es  im Umfeld der Kultur-Anthropologie und der Existenzphilosophie genug, von Heidegger  (1977) bis Flusser (1998), von Foucault (2001) bis Bourdieu ( 1974)

So wird aus einem als strukturell bezeichneten Wandel (Strukturwandel) eine Kultur-relevante Interpretation des Wandels (ein „Wirklichkeitsmodell)“ – vgl. Schmidt 2003: 38), weil es ja nicht um das Was, sondern um das Wie der Beobachtung geht, ganz im Sinne der cultural studies: Kultur ist, wie man etwas tut, denkt, beobachtet. Der Gegenstand der kultur-definierten Beobachtung ist nicht das Objekt, sondern die Beobachtung des Gegenstands und wie wir diesen mit anderen Vergegenständlichungen verbinden. Wie wir die Welt denken und mit welchen Kriterien wir unser Denken werten, bestimmt die Logik der Zuordnung unserer Beobachtung. Alles, was ist, machen wir zum Fall (das Geschehen zur Geschichte) durch unsere Beobachtung, allerdings mit kommunikativ ausverhandelter Kontextualisierung. Der oft vordergründig beschriebene strukturelle Wandel hat seiner oft verschwiegenen kulturellen Tiefendimension wegen viele Facetten und spiegelt sich in vielen gesellschaftlich mehr oder minder organisierten Bereichen wider: in Wirtschaft, Politik, Medien, Wissenschaft und Bildung. In diesen Bereichen werden die Prozesse des gesamt-gesellschaftlichen Wandels an deren strukturellen Ordnungen offenkundig, der eigentliche Wandel aber liegt tiefer: in der in diesen Strukturen implizit gefassten und verfassten Beobachtung von Werten und Wertedeutungen der Existenz des Menschen. Wandel, selbst, vielleicht gerade in seiner technologischen Form, ist anthropologisch zu deuten als Chiffre der Beobachtung von Existenz in den Dimensionen von Zeit und Geschichte. Dies wird besonders deutlich im strukturellen Medienwandel. Medien, nicht verstanden als Tool für oder als Mechanismus von Kommunikation, sondern als Sprachmodell (Medialität) von Vergemeinschaftung und Vergesellschaftung der Beobachtung von allem, was über den Wahrnehmungsbereich des Individuums oder des Milieus hinaus denkbar und beobachtbar ist, um sich so dessen zu versichern, dass für mich relevant ist, was ich/wir für wirklich, und/oder wahr halte(n), halten kann/können oder vielleicht halten sollte(n).

Wechsel und Wandel werden subjektiv-individuell erst deutlich (deutbar, erlebbar, beobachtbar) im Kontext von Beziehungen und Bindungen, die sich, je nach sich ändernder Medialität von wechselseitiger Verständigung auf Gemeintes, als Wandel der (Kriterien der) Beziehungsmuster (strukturell, kulturell, symbolisch) kenntlich machen. Der gesamtgesellschaftliche Wandel – dargestellt in den Mustern ihrer wechselseitigen Verständigung über sich selbst (mediale Moden der Kommunikation) – oszilliert, wie in den Sozialwissenschaften vielfach beschrieben, analysiert und interpretiert, in unserer Gegenwartsgeschichte zwischen dem Wert sozialer beziehungsweise gesellschaftlicher Bindung und den zunehmend als gesellschaftlich (an)erkennenswerten Lebensmustern von Individualität und Diversität. Eben diese stehen als Chiffre für (ebenso) vernunftfähige und in diesem Sinne auch edukative der Werte von Emanzipation, Authentizität, Spontaneität, Kreativität, Intuition, Eigen-Beliebigkeit, Urteilsfähigkeit, Eigenverantwortung, Selbstkontrolle (vgl. Thome 2018). Diese lösen oder relativieren ordnungstypische Vernunftwerte der Anpassung an institutionelle Autoritäten oder Ordnungsvorgaben (Sozialisation im Muster von taking a role / playing a role) (vgl. Hurrelmann 2012) in bisweilen scharf getönten Debatten ab. Der Diskurs über Generationen spezifischer („neuer“) Werte von und in sich ändernden Lebensweisen spiegelt sich nicht nur, aber besonders in der Kennzeichnung der X- oder Y -oder Z-Generation. Zugleich sind die im Muster gesellschaftlich organisierter, kultivierter, zivilisierter oder institutionalisierter Bindung (z. B. Familien, gesellschaftlich eingeübte Rollenverhältnisse wie z. B.  Meister-Lehrling, Lehrer-Schüler, Produzent – Konsument, Journalist-Leser/Hörer/Seher, Professionist-Laie, etc.) soziale Mechanismen der wechselseitigen Anerkennung, des Vertrauens, der Verantwortung und deren soziale Kontrolle eben in diesen dafür stehenden Strukturen (Ordnungsmuster der Verteilung und Bestimmung von Zuständigkeit, Fähigkeit, Fertigkeit, Verantwortung – in Summe: Kompetenz) in auf Dauer eingerichteten und alle Varianten erfassenden Strukturen der Teilhabe und der Teilnahme kulturell-normativ festgelegt.  Die so angesprochenen Strukturen sind auf Akzeptanz und Einhaltung ausgerichtete Rituale der sozialen Praxis: Kommunikation, sozialer Umgang (Interaktion), wechselseitige Verständigung (Transaktion).

Bildung im Ambiente der Mediengesellschaft:

Bildung hat und spielt in diesem Prozess eine besondere Rolle, in der herkömmlichen Entwicklungstheorien oft interpretiert als die – neben der familiären – zweite (in Organisation und Institution geformte Säule der Sozialisation (vgl….). Man kann sie verstehen als eine wissensbewusste, individuell und sozial markierte Sphäre lernbarer, substantiell gelernter und für die gehobene Qualität des Lebens relevanter (wissentlicher und gewusster) Beobachtung von Welt, um das so im Kontext gelernten Wissens gebildete Bewusstsein (Selbstbild und Weltwissen im Umfeld von ethisch und ästhetisch aufgeladenen Bildern der Wirklichkeit) vernunftbewusst, verantwortungsbewusst und weltbewusst in den Rahmen der eigenen wie der sozial aufmerksamen Lebensgestaltung  einzubinden. Bildung ist – auch und gerade wegen des sozial-kommunikativen Modus, in dem sie passiert, ein sozial-relevanter Ort der Konstruktion und der Aneignung von Wirklichkeit, einmal als das soziale Muster von Lehren und Lernen., zum anderen als Habitus der Praxis dessen, was man gelernt und erworben hat.  So macht man Bildung zum/zur Beruf/ung und, in der Praxis, den Beruf zum Projekt der Bildung. Und so verstanden ist Bildung nicht einfach die Akkumulation von Wissen (Stoff), sondern eine auf Dauer gestellte Übung des Bedenkens, der Reflexion und der Kriterien-bewussten (kritischen) Beobachtung und Wahrnehmung von denkenswertem, denkensrelevantem Wissen (vgl. Bauer 2017)

In diesen Rahmen gestellt ist Bildung, auch in der Form von Ausbildung, ein auf Werte nachhaltiger Kommunikation (Verstehen, Verständnis, Wechselseitigkeit, Transversalität der Perspektiven und Diversität der Deutungen von Wirklichkeit) ausgerichtetes soziales bzw. gesellschaftlich organisiertes und in Handlungszusammenhängen beschreibbares Konstrukt, mit dem einerseits das kulturelle Gedächtnis habituell vergegenwärtigt und andererseits eine mögliche Zukunftsvergessenheit vorbereitend verhindert werden soll. In diesem Sinne ist Nachhaltigkeit ein unverzichtbarer bildungstypischer Zielwert. Oder, um es anders zu sagen, Ausbildung, die nicht auf die Nachhaltigkeit von Bildung ausgerichtet ist, hat, wenn überhaupt, geringen Bildungswert.

Um solch ambivalenten von Zeit-überspannenden und doch zeitbewussten  Ansprüchen von Bildung  gerecht zu werden, muss sie  einerseits, jenseits von Trends den Krisen, Herausforderungen, Zumutungen und Chancen sowie den Mechanismen der Zeit Rechnung tragen, andererseits  aber die (oft kulturell tangierten) Trends so wahrnehmen, dass die in ihnen implizierten  und doch verdeckten Bedürfnisse, Sehnsüchte oder undefinierten Ahnungen der Zeit-gesellschaftlichen Weltbilder in ihr Portfolio aufnehmen.

Noch ist Bildung eine Kategorie der sozialen Klassifikation. Dies hängt, unter anderem, zusammen mit gesellschaftlichen Strukturen und mit in diesen Strukturen gefassten Mustern gesellschaftsbildender Bindung. Das Bindungsmoment bringt mit sich den Charakter der sozialen Kontrolle (vgl….), der dem entsprechend unterschiedlich streng oder locker ausfallen kann. Diesem Differenzierungsmodus Rechnung tragend kann man Gesellschaften, eben je nach bindungsrelevantem Mechanismus unterschiedlich fokussiert, charakterisieren: z.B. als Familiengesellschaft, als Milieugesellschaften, als Wissensgesellschaft, als Bildungsgesellschaft, oder als Mediengesellschaft. Während die Metapher der Familien- oder Milieugesellschaften dem Umstand der Zueinander-Verwiesenheit und relativen Abhängigkeit entsprechen, Wissens- und Bildungsgesellschaft ein Bild des Wettbewerbs und der intelligent-intellektuellen Unabhängigkeit zeichnen, besagt die Metapher der Mediengesellschaft einerseits, dass der (oft individualisierte) Mediengebrauch die Menschen lose im Muster ihres an Gefälligkeit, Zufälligkeit und Beliebigkeit gebundenen Mediengebrauchs lose miteinander verbindet oder zueinander in Begegnung bringt, andererseits aber eine weit über die Grenzen des eigenen (metaphorisch gemeinten) Sprachraums reichende Weltsicht ermöglicht und daher den Zugriff sozialer Kontrolle weitgehend abschwächt. Soweit die These von Wittgenstein (vgl ..) stimmt, dass die Grenzen der Sprache“ „die Grenzen meiner Welt“ wären, soweit stimmt, dass über den Beobachtungs- und Handlungszusammenhang des individuellen Mediengebrauchs die Grenzen der sozial-natürlichen Physik einerseits und jenseits der in analoger Sprache  gefassten Wirklichkeit ein Weltraum geschaffen wird, in dem man sich nicht analog, sondern digital, nicht real, sondern virtuell  wiederfindet und (erst) zurechtfinden muss. Andererseits aber bewegt man sich in einem „Sprachraum“, der nicht (authentisch) meiner ist, sondern der einer der flachen Allgemeinheit ( inszeniert). So „begegnet“ man sich selbst in Szene setzend jedwedem anderen – ebenso in Szene gesetztem – zu jedweder Zeit, in jedwedem Moment mit jedweder Motivation, mit jedwedem Interesse, in jedweder Absicht, zu jedwedem Thema nicht wirklichkeitsanalog, sondern wirklichkeitsvirtuell. Dieser radikale, irgendwie gesellschafts-ontologische Bruch muss sich auf die Um-schreibung im Sinne einer radikalen Neuschreibung der Kriterien der Qualität von Soziabilität, von sozialer, kommunikativer und medialer Kompetenz auswirken. Dass in dieser zum alltäglichen Fall gemachten Welt beliebiger Möglichkeiten im Modus digital-virtueller Wirklichkeit Kriterien der Nützlichkeit, der Ästhetik und der Ethik, der Bestimmung von Wahrheit oder der Interpretation von Wirklichkeit sich nicht mehr eindeutig bestimmen lassen, sondern sie sogar soweit auslassen, dass real von fake auf analoge Weise nicht mehr unterscheidbar ist, skizziert die nun aufkommenden medialen, sozialen und die didaktischen Zumutungen an Bildung, Lehren und Lernen. In jedem Fall sind die Kriterien der traditionellen Muster des Lehrens und Lernens, aber auch die der habituellen Bildung, die mit der Akkumulation des Wissens ihre Erfolge zu argumentieren wusste, weit überholt. In diesem Sinne kann sich auch die Mediendidaktik nicht (mehr) unwidersprochen auf solche Kriterien der Qualität von Bildungsaktivitäten berufen: Darstellen, Erklären, Vermitteln, Aufnehmen, Einüben, Wiederholen, Prüfen (vgl. Bauer 2017, Szudra 2017).

Im Ambiente der Mediengesellschaft muss Mediendidaktik die Qualität und den Charakter von Medienbildung haben, was heißt: die Kriterien des kompetenten (Fertigkeit, Fähigkeit, Zuständigkeit, Verantwortung sowohl im Muster des Lehrens wie des Lernens) Gebrauchs der technischen, sozialen, symbolisch, semantisch und pragmatisch strukturierten Medienmechanismen zu verstehen und zu nützen. Bildungsmedien verteilen die Autorität von Versprachlichung des Wissens und der Wissenswerte horizontal, sie machen das vertikale Muster der Autorität in vielen Fällen obsolet, vor allem dann, wenn es um das schlichte Sammeln (akkumulieren) möglichen Wissen geht. In den Prozessen des Deutens, Wertens, Unterscheidens und Entscheidens wird dem gemäß weniger die von oben nach unten oder die von one-to-many ausgerichtete Vermittlung zu finden sein, dafür mehr die von many-to-many geteilte und von links nach rechts und von rechts nach links horizontal angelegte Moderation der wechselseitigen Wissensverständigung (vlg. Bauer….) das Bildungs – bzw. Ausbildungsgeschehen charakterisieren. Im Umfeld von Corona und den damit verbundenen noch etwas unbeholfen ins Spiel gebrachten online-Lehr-Lernprogrammen konnte (musste) man erste Schritte gehen und erste ernstzunehmende Erfahrungen sammeln.

Die im Zusammenhang der Beschreibung von Weltgesellschaft schon gebrauchte Metapher einer Mediengesellschaft erfüllt aufgrund des weithin individualisierten Mediengebrauchs die Kriterien einer „next-to-next-Gesellschaft (vgl. Taylor…): Jeder kann und will für sich (individualisiert) genau das erreichen, was ein jeder anderer auch erreichen  kann oder will. Diese Parallelisierung von Soziabilität schafft neue Muster von Vergesellschaftung, von der Verteilung von Zuständigkeit, Verantwortung, Fähigkeit und Fertigkeit (von Literacy Kompetenz), nimmt sie aus der Handhabung von Autoritäten  und verlagert sie in die Hand des Individuums (E-manzipation). Zugleich werden Werteforderungen wie Gleichheit, Gleichberechtigung, Chancengleichheit, soziale Balance, lauter, transparenter und dringender (vgl. Bauer 2018: 104 ff.). In der weithin in festen (professionalisierten) Regeln, Funktionen und Rollen verwalteten Bildung (sofern sie in den diversen Programmen und Stufungen der Ausbildung organisiert und institutionalisiert sind) bringen die über den Mediengebrauch zunehmend bewusster werdenden Werte von Autonomie, Selbstorganisation und Selbstkompetenz, Beliebigkeit und Diversität von Kultur und Struktur in Umstellungsstress.

Medienwandel und Bildungsgesellschaft:

Folgt man den bisher angesprochenen Prinzipien des Wandels, dann kann man hier nochmals zusammenfassend feststellen: den gesamtgesellschaftlichen Wandel kann man als das im Verlauf der Zeit sich ändernde Muster der Medialität von Gesellschaft deuten, das spürbar und erkennbar wird in den sich abwechselnden Moden der Strukturierung  von Bindungs- und Ordnungsmustern der Kommunikation, so sie im Interesse der möglichst verbindlichen Konstruktion von Wirklichkeit geschehen und so in relevanten Diskursen vergeschichtlicht werden. Eine Gesellschaft, die im Wert der Bildung das Prinzip sieht, in dem die Gesellschaft wie auch das Individuum jeweils im Ambiente der Bemühungen um verbindliche Deutungen zu sich selbst finden, also dort ankommen, wo sie sich letztlich –  wertebewusst  interpretiert – verorten, nimmt – eben – Bildung und Bildungsmuster (Lernen, Beobachten, Verstehen, Wahrnehmen, Erkennen, Wissen, Unterscheiden, Entscheiden) als das charakteristische Kriterium und als das Wertegeschehen, durch das sie sich zueinander verwiesen, zueinander verbunden und füreinander verantwortlich wissen. Bildung ist in diesem gesellschaftslogischen Kontext sowohl als Prozess (Geschehen) zu verstehen wie auch als Status (Sichtbarkeit, kulturelles und soziales Kapital), als subjektives wie sozial anerkanntes, als öffentliches wie privates Gut, das privat so gut ist, wie es öffentlich anerkannt wird, und subjektiv so viel wert ist wie es sozial ausgerichtet ist. Das ruft nach Zugänglichkeit, nach Niederschwelligkeit des Zugangs, nach möglichst großzügiger Auslegung der Reichweite ohne klassentypische Unterscheidung.

Diese Kriterien, aber nicht nur diese, sind der Beobachtung des gesellschaftlichen Wandels zu entnehmen, allerdings in einer im Modus der Medien (Mediengesellschaft) sich verbunden wissenden Gesellschaft wegen des (technologischen) Eigenlebens der Medien und Medienmechanismen nicht einfach im Handumdrehen zu verwirklichen. Möglicherweise hilft auch da die Wissenschaft weniger weiter hilft als man von erwarten könnte. Vielleicht, weil sie in all ihren transdisziplinären Verbindungen und quantitativ-analytischen Bemühungen mehr zuschaut als eingreift. Möglicherweise aber auch, weil das Bildungssystem sich nicht genügend freispielt von technologisch vielversprechenden Lösungen für Mediengebrauchsphänomene, die nicht nur alltagsgesellschaftlich, sondern auch die Bemühungen nachhaltiger Bildung tangierende Probleme machen: gemeint ist das auf Technik und Machbarkeit, auf Kumulation und Besitz, auf Ergebnis und Erfolg, auf Wettbewerb und Vorteil von Wissen fokussierte Denkmodell, das die schon Engagierten bevorzugt und die, deren Motivation noch unklar und nicht geweckt ist, ausblendet. Möglicherweise sind Bedingungen institutioneller Bildung zu eng, um den Mut aufzubringen gegen den Strom gesellschaftlicher Gefälligkeit zu schwimmen, und jenseits der Regulierungen auf einen Bildungskanon zu setzen, der die Kompetenzen von Kommunikation und Soziablität, von Bildung als Habitus des Bewusstseinssetzt und so die Soziabilität der Lebenserwartungen des kognitiven, mentalen und emotionalen Aufwachsens (Lernens) zu schlicht mit dem Anhäufen von Wissen verbindet.

Es ist kein Geheimnis, dass alle Gesellschaften, nicht nur, aber besonders wegen der sich ändernden Kommunikationsmuster im Umfeld des Mediengebrauchs und der darin in Stress geratenen Kriterien im Krisenmodus sind. Die gesellschaftlich eingeübte Ordnungslogik der Kommunikation als die kulturell, ästhetisch und ethisch umschriebene soziale Praxis der Konstruktion von Wirklichkeit wird strukturell umgeschichtet und kulturell umgedeutet. Die Krise ist im eigentlichen Sinne eine Krise des gesellschaftlichen Diskurses einer digital gewendeten Gesellschaft, so meinen manche Mediensoziologen (Marian Adolf 2024): die Gesellschaft leide „unter den Verwerfungen des digitalen Medienwandels“. 

Das scheint die Zuspitzung eines in langen Jahren vollzogenen und sich selbst laufend überholenden Wandels zu sein, den man, weil man ihn dort technologisch ausfertigt, möglicherweise zu schnell den Medien zuschreibt, so als wären sie der Grund des Übels. Das kann man so behaupten, wenn man „den Medien“ die Funktionalität (Werkzeuglichkeit, Leistbarkeit und Brauchbarkeit) von Kommunikation zuschreibt. Wenn man aber – In Umkehrung der gedachten Verhältnisse – der Kommunikation“ die Funktionalität „der Medien“ zuschreibt, also die Medienlogik der sozial-kommunikativen Praxis als Charakteristik der Medialität von Zeit-und Gesellschaft versteht, dann sind die mit dem Wandel einhergehenden Phänomene der Krise nicht demsehr wohl – kritisch zu wertenden Gebrauch der Medien zuzurechnen, sondern der in Krise geratenen Kommunikationsmuster von Zeitbewusstsein und Gesellschaftlichkeit.

Bildungsmedien: Sphären der Kriterienbestimmung

Die Bewertung der Qualität von Bildung im Kontext didaktisch ausgerichteter Medienzusammenhänge „muss“ sich, wie Bildung generell, allerdings in spezifischem Setting, an Kriterien des Sinn-Dreieck der wechselseitig zueinander verwiesenen Kriterien von Nützlichkeit, Ästhetik und Ethik (vgl. Bauer…) orientieren. Die Bestimmung der Qualität des bildungsmedialen-didaktischen Zusammenhangs muss dabei die voneinander zu unterscheidenden Sphären des Bildungsgeschehens bzw. der Bildungswirkung ausmachen und dabei berücksichtigen, dass diese benennbaren Sphären zueinander im Wechselverhältnis stehen (kognitiv, mental, kulturell, habituell sozial und praktisch) und überdies mit den Kompetenz-relevanten Werten (Fertigkeit, Fähigkeit, Zuständigkeit Motivation und Verantwortung) synchronisiert sind.

  • Kognitive Sphäre: Bildungsmedien leisten auf Basis ihrer Anschaulichkeit, den Techniken der Vergegenwärtigung und der didaktisch möglichen Einspielung von Differenzierung und Entscheidung ein Ausmaß an Wissensanreicherung, Wissensbevorratung, Wissensdeutung und Wissensdifferenzierung, die im Muster „nur“ personaler Vermittlung nicht in dem Maße gegeben ist. Alle Muster von Literacy sind hier einzurechnen, wohl wissend, dass Literacy nicht nur durch Wissen, sondern durch die Bewusstheit des Wissens und durch die vernünftige-kompetente bzw. kompetenzbewusste Anwendung des Wissens begründet wird. Das ist bereits der Übergang zur nächsten Sphäre (Wissen, Bewusstsein)
  • Mentale Sphäre: Bildungsmedien können aufgrund von Komposition und Design  Geschehen in Geschichten und Diskkurse in Narrativen darstellen, die Emotionalität und Mentalität so ansprechen, (z.B. Identifikation mit  Narrativen), dass der emotionale oder emotionalisierende Charakter zur Motivation von Wahrnehmen, Behalten, Nachahmen und Erinnern wird (Bewusstsein), Motivation, Verantwortung).
  • Kulturelle Sphäre: Bildung im transaktionalen Modus von Mediennutzung, oft zu technologisch und strategisch als „Einsatz von Medien“ apostrophiert, schafft einen weiten und über die Grenzen der eigenen Lebenswelt reichenden Rahmen des Bewusstseins von Werten, Wertungen und der Perspektiven von Beobachtung und Deutung, das die je-eigene kulturelle Ausrichtung kritisch kommentiert, bereichert und diversifiziert (Fähigkeit, Bewusstsein).
  • Habituelle Sphäre: Medienbasierte Bildung, so kann man annehmen, beeinflusst in vergleichsweise hohem Maße die habituelle Ausrichtung, das habituelle Profil, das mitunter in Form der Nachahmung (Mimesis“) oder Ausprobierens  (Experiment) von Haltungen, die in der Komposition von Mediengeschichten angesprochen werden, angeregt wird Form zu gewinnen. Bildung (als Mentalität und Haltung) überzeugt, wenn sie der achtsamen Gestaltung von sozialer Begegnung durch Haltung Rechnung trägt (Zuständigkeit).
  • Soziale Sphäre: Im Modus eines didaktisch inszenierten Medienambiente (vor allem bei aktiver und produktiver Medienverwendung) können soziale Situationen inszeniert werden, in denen Wissen, Erfahrungen, Meinungen und Absichten in ein soziales Setting eingebracht werden, in dem die Wirkungen, Folgen und Ergebnisse von Unterscheidungen und Entscheidungen nach sozial-relevanten Kriterien beobachtet und gewertet werden können (Verantwortung).
  • Praktische Sphäre: Das im Rahmen von Bildungsprozessen eingebrachte Wissen und dessen Wertungen für Bewusstsein, Haltung und soziale Orientierung kann auf der Basis von Medientechnologie und Mediennutzung so erkundet werden, dass man daraus Handlungs- und Anwendungsstrategien für praktische Situationen abzuleiten in der Lage ist (skills, Fertigkeiten).

Es gilt hier noch eine Unterscheidung einzubringen, die professionelle Bildungsmedien von solchen unterscheidet, die primär nicht für den didaktischen Einsatz gemacht sind, deren Bildungspotential der Thematik oder des Designs wegen aber offenkundig wird. Jede Form praktischer Didaktik, vor allem aber die auf den Gebrauch von Medien (Bildungsmedien) sich einlassende didaktische Praxis sollte sich der unterschiedlich ausgeprägten Charakteristik von Medien bewusst sein. Im Unterricht und in jeder anderen Umgebung der Unterweisung, des Trainings oder der Wissensvermittlung (z: B. in der Erwachsenenbildung) setzt man ja nicht nur (ausgewiesene) Bildungsmedien ein, sondern auch solche, die nicht als Bildungsmedien (speziell für den Gebrauch im Bildungskontext) gemeint sind, aber wegen ihres Inhalts, ihrer Narrative, ihres Designs oder ihrer Komposition wegen Bildungswert haben (speziell für Bildung im Kontext ihres Gebrauchs) haben. In diesem Zusammenhang muss man mitbedenken, dass Menschen, vor allem junge, ein durch den alltäglichen Gebrauch von social media ein sich in der Nutzung traditioneller oder konventioneller Medien unterscheidende Gebrauchskultur gewohnt sind. Das kann aber auch heißen, dass man alltagstypisch gebrauchte Medien (Medienmuster) in das Bildungs- bzw. Unterrichtsgeschehen miteinbindet, mitunter einbinden kann und soll, um eine didaktische Brücke zwischen individueller Lebenswelt und systematischer / systemgebundener Bildung zu bauen.

Das heißt, um in diesem Kontext an Pierre Bourdieu’s Konzept zu erinnern (vgl….), den Bildungsgewinn als soziales bzw. kulturelles Kapital auf Basis der Stimulierung der je-eigenen, individuellen und subjektiv wahrgenommenen Kompetenz zu ermöglichen, den nicht der Eine in Abgrenzung zum Andern erwirbt, sondern im Wissen um die Maximierung der Chancen durch strukturell eingerichtete Mechanismen von wechselseitig ermöglichter und erwarteter Kooperation und wechselseitig zugestandenem Vertrauen. Der Charakter des sozial-gesellschaftlichen Zusammenhangs folgt einem neuen Modell: Im Rahmen der Mediengesellschaft fügt sich der Gesellschaftscharakter nicht im Charakter der Familie, nicht im Charakter des Milieus oder der Bildungsinstitution, sondern im Charakter von unbestimmter Beziehung und Entfernung, von Zeitverschiedenheit, von Zufälligkeit und von Beliebigkeit der Begegnung und der wechselseitigen Wahrnehmung über den Weg weithin individualisierten Mediengebrauchs.  Dieser Charakter der Mediengesellschaft muss noch weiter vertieft werden.

Mediengesellschaft und Medienwandel:

Von der zunehmenden Individualisierung des Mediengebrauchs war schon die Rede. Dennoch sollte, um das Thema des Wandels, konkret des gesellschaftlich relevanten Medienwandels und des daraus folgenden Wandels der Kriterien der Qualitätsbestimmung von Medien im Bildungszusammenhang abzuschließen, nochmals darauf rekurriert werden: Selbst wenn dieses hoch-individualisierte Muster der Soziabilität oft nicht weiter reicht als „nur“ das einer Nachbarschaft auf Basis der wechselseitig zugestandenen Gefälligkeit zu sein. Charles Taylor (2002) nennt dies als das typische Muster einer „next-to-next-Gesellschaft“. Wechselseitige Wahrnehmung, wechselseitige Achtung und wechselseitig zugestandene Verantwortung folgen nicht der Mentalität von Institution und Gemeinschaftsverpflichtung, sondern der Medialität der Gesellschaft: Zufälligkeit, Beliebigkeit und Wechselhaftigkeit der Begegnung machen diese willkürlicher, flüchtiger, belastungsschwächer, anfälliger für Nebenwirkungen, weniger nachhaltig und weniger resilient und, wo die Neigung schon existiert, auch weniger der Wahrheit oder der Wirklichkeit verpflichtet. Oder alternativ betrachtet: stehen diese Werte zumindest auf der Prüfliste neuer gesellschaftlicher Umgebungen als Herausforderungen, der sich eine Mediengesellschaft stellen muss. Das kann man ja auch als challenge und chance einer open societey verstehen (vgl. Bernhardt 2012) – auch wenn es noch lange nicht gelingt. In diesem Zusammenhang werden Rufe nach einem Paradigmenwechsel in der schulischen Bildung verständlich: vom technischen Paradigma der Wissenskumulation und Wissensqualifikation zum humanen Paradigma des sozial bewussten Wissens. In dieser Logik ist Wissen nicht Macht als Autorisierung von Herrschaft, Elitismus oder Klassenbewertung, sondern Kompetenz als Grundlage für Verantwortung sich selbst und dem je-möglichen anderen gegenüber.

In diesem Sinne sind „Medien“ die gesamte soziale „Apparatur“ der Medialität von Kommunikation und  Gesellschaft, eben das eigentliche Gesellschaftsgeschehen, und eben auch der gesamte transaktionale und transindividuelle Zusammenhang der Verarbeitung (transpersonale Aneignung, Verständigung) der möglichen Deutungen von Wahrnehmung und Beobachtung des möglichen Geschehens mit dem Ziel daraus „eine wirkliche“ Geschichte (kontextualisiertes Geschehen) zu machen (soziale Konstruktion von Wirklichkeit). Die Rolle „der Medien“, insbesondere deren struktureller Wandel ist im Kontext dieser Logik (Mediologie) nicht zu unterschätzen: sie spiegeln nicht nur Moden wider, sondern sie erfüllen in dem Sinne eine zukunftsweisende Funktion, indem sie in ihren (technologischen sowie themen-gebrauchstypischen) Trends Zeichen von und für Zukunftsweisen des gesellschaftlichen Lebens setzen. Sie kündigen, meist im Muster von Krisen, Herausforderungen, Zumutungen und Chancen an. In diesen medial-sozialen Zusammenhängen werden gewissermaßen prophetische Perspektiven der Deutung von Existenz und der Konstruktion von Wirklichkeit offenkundig: in ihnen kündigen sich Erwartungen, Ahnungen, Hoffnungen, Befürchtungen möglicher Zukunft im Modell  – nicht vorhersagender, sondern -hervorsagender, eben kritischer (Kriterien-bewusster) Gegenwartswahrnehmung an. Der Wandel der äußeren (extrinsischen, strukturellen, kulturellen, symbolischen) Gestalt (Handlungsmuster , Alltagsrituale, Technologie, Mechanismen) ist als Zeigegeste  (vgl. Heidegger 1977) der intrinsischen (existentiellen) sich – jenseits aller Zeit, aber im kulturellen Muster der Zeit  – aufeinander verweisenden und sich ergänzenden und so wechselnden Horizonte der Sinngebung des Lebens in endlicher Zeit.

Literaturhinweise:

Bauer, Thomas A: (2014): Kommunikation wissenschaftlich denken. Perspektiven einer kontextuellen Theorie gesellschaftlicher Verständigung. Wien: Böhlau

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